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40 Jahre Friedrich-Hölderlin-Preis: Ein Fest für die Literatur
Aktuelles – 11.05.2023

40 Jahre Friedrich-Hölderlin-Preis: Ein Fest für die Literatur

Leif Randt erhält die Auszeichnung für sein Gesamtwerk.
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Bad Homburg. Der in Frankfurt geborene Schriftsteller Leif Randt erhält für sein Gesamtwerk den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe 2023 (Stiftung Cläre Janssen). Oberbürgermeister Alexander Hetjes wird die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung am Sonntag, 04. Juni 2023, 17 Uhr, in der Schlosskirche überreichen. Die Laudatio wird der deutsche Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Moritz Baßler (Professor für Neuere deutsche Literatur an der Westfälischen Wilhelms- Universität in Münster) halten. Den mit 7.500 Euro dotierten Förderpreis erhält die Autorin Anna Yeliz Schentke für ihren Debütroman „Kangal“. Für Schentke wird die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla sprechen.

 

Die Hölderlin-Preisjury (Vorsitzende: Sandra Kegel, Feuilleton FAZ, weitere Mitglieder: Prof. Heinz Drügh, Universität Frankfurt, Prof. Thomas Boyken,  Universität Oldenburg, Prof. Bohnenkamp-Renken, Freies Deutsches Hochstift, Alf Mentzer, Hessischer Rundfunk sowie Oberbürgermeister Alexander Hetjes) begründet ihre Entscheidung wie folgt:

 

Leif Randts literarisches Werk – vier Romane hat er bislang vorgelegt – formiert eine der konsequentesten Ästhetiken der Gegenwart. Randts Texte schreiben die Tradition des Schönen unter den Bedingungen des Heute weiter, eines Heute, in dem das Schöne, wie in dem Roman „Schimmernder Dunst über Coby County“ nicht nur durchweg von Räumen des Konsums umgeben, sondern auch mit diesen verstrickt ist. Der Science Fiction-Roman „Planet Magnon“ wiederum imaginiert eine Zukunft, die von einer künstlichen Intelligenz dirigiert wird, und konfrontiert die Individuen dennoch mit dem Druck, stets kreativ und leistungsbereit sein zu sollen – das Ganze in einer hochartifiziellen Ästhetik mit Reminiszenzen an den Spacepop ebenso wie an Harry Potter oder Aldous Huxleys „Brave New World“. Der 2020 vorgelegte Roman „Allegro Pastell“ schafft das Kunststück, eine Liebesgeschichte zu erzählen, die von den Style-Geboten der Gegenwart bestimmt wird und zu nicht unwesentlichen Teilen aus WhatsApp-Kommunikation besteht. Das ist nie unmittelbar und naiv, sondern vielfältig gebrochen, aber auch nicht parodistisch, sondern auf wundersame Weise ebenso gegenwartsdiagnostisch und intelligent wie anrührend.

 

Anna Yeliz Schentke zeichnet mit ihrem literarischen Debut „Kangal“ aus dem Jahr 2022 ein sehr aktuelles, sensibles und vielstimmiges Generationenporträt junger deutsch-türkischer Menschen – unter den Bedingungen einer repressiver werdenden Gesellschaft in der Türkei und alt eingeschliffenen Klischees in der Bundesrepublik. In schnell geschnittenen, sich gegenseitig kommentierenden und facettierenden Perspektiven der Protagonisten Dilek, Tekkin und Ayla entsteht ein Bild der Lebensbedingungen in der Türkei nach 2016, dem Putschversuch gegen das Erdogan-Regime und der Verfolgung kritischer Oppositioneller, und einer Bundesrepublik zwischen Türkei-Traumurlaub, realer Diskriminierung und Erdogan-Nostalgie unter in Deutschland lebenden, türkischstämmigen Menschen. Eine hochpolitische Literatur, die nie den Finger hebt, sondern in unaufgeregtem Ton und mit genauen Bildern ganz auf der Höhe der Zeit erzählt.

 

Die Stimme der Millennial-Generation

Der 40-jährige Leif Randt studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim und in London. Er gilt als die Stimme der Millennial-Generation. Randt zählt zu einer neuen Generation der Popliteratur, die neben Konsum und Oberfläche vor allem die sozialen Medien zum selbstverständlichen Diskursinventar ihrer Bücher macht und das Internet als ästhetischen Gestaltungsraum begreift. Für die Erzählweise von Randts Romanen erweist sich ein zugleich naiver wie hyperreflexiver Gestus als charakteristisch, dessen Innovation darin liegt, dass Erfahrungen der Krise, die in der literarischen Tradition stets über eine Rhetorik der Extreme funktionieren, sprachlich in ein Gefühl des Ausgleichs und der (Selbst-)Zufriedenheit überführt werden.

 

Aufgewachsen ist der Schriftsteller in der hessischen Kleinstadt Maintal. Ab 2005 veröffentlicht er erste Prosatexte, die meist an artifiziellen Orten spielen. Randt veröffentlichte die Romane „Leuchtspielhaus“ (2009), „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ (2011), „Planet Magnon“ (2015) und „Allegro Pastell“ (2020), letzterer war unter anderem für den Deutschen Buchpreis nominiert. Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet – unter anderem mit dem Nicolas-Born-Debütpreis (2010), dem Düsseldorfer Literaturpreis (2012) und dem Erich-Fried-Preis (2016).

Im Wintersemester 2022/23 war er Poetikdozent an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden.

„Leif Randt hat ein extrem starkes Gespür für Sprache“, schreibt die „taz“.

 

Debütroman von der Kritik hoch gelobt

Anna Yeliz Schentke wurde ebenfalls in Frankfurt geboren (1990), ist dort aufgewachsen und lebt noch immer in der Main-Metropole. Sie studierte an der Frankfurter Goethe-Universität Literaturwissenschaft und erwarb einen Abschluss im Masterstudiengang Ästhetik. 2020 erhielt sie einen Platz in der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung und arbeitete dort mit Schriftstellern Joachim Helfer und Judith Kuckart an ihren Texten.

2022 erschien im Verlag S. Fischer ihr Debütroman „Kangal“, der von der Kritik positiv aufgenommen wurde. In der Frankfurter Allgemeinen lobte Alexander Jürgs den Roman als „Pageturner“ und sprach von einer „klaren, starken Sprache“. Auf Zeit Online urteilte Christoph Schröder, Schentke habe keinen „identitätspolitischen Thesenroman“ verfasst, „sondern eine in Sprache und Form reflektierte Identitätserkundung“. Die Relevanz des Romans ergebe sich nicht aus dem Inhalt – die politische Situation nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei -, sondern durch Schentkes Erzählweise, bemerkte Anke Dörsam in der Tageszeitung.

 

Ein besonderes Jubiläum

Die Stadt Bad Homburg begeht in diesem Jahr das 40-jährige Bestehen des Friedrich-Hölderlin-Preises. Als 1982 das letzte originale Haus, in dem Friedrich Hölderlin während seines zweiten Homburger Aufenthalts 1804 gelebt hatte, wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, hatten die damaligen politischen Verantwortlichen, allen voran Oberbürgermeister Wolfgang Assmann, beschlossen, das Andenken an Hölderlin wach zu halten. Um an das kulturelle Erbe, das Hölderlin in unserer Stadt hinterlassen hat, anzuknüpfen, entschied man sich, die Erinnerung an den Dichter mit einem Literaturpreis, der seinen Namen trägt, lebendig zu halten. Zudem erhoffte sich Assmann von dem Preis einen Schub für die „geistige Stadtentwicklung“. „In der Tat hat der Literaturpreis eine solche Entwicklung genommen. Die Preisverleihung ist ein Fest für die Literatur geworden“, sagt Oberbürgermeister Alexander Hetjes.

 

Das Stadtoberhaupt erinnert in diesem Zusammenhang an den ersten Jury- Vorsitzenden, den bekannten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der legendäre Diskussionen über die Bedeutung von Hölderlin führte, und an grandiose Dankesreden, die Hölderlinpreisträger und Preisträgerinnen wie zum Beispiel Christoph Peters, Eva Menasse, Daniel Kehlmann und andere in Bad Homburg gehalten haben. Hetjes: „Sie alle haben uns neue Welten erschlossen und Gedankenanstöße gegeben.“

 

Im Laufe der vergangenen 40 Jahre wurden die bedeutendsten Schriftstellerinnen und Schriftsteller deutscher Sprache mit dem Friedrich- Hölderlin-Preis ausgezeichnet. „Darauf kann unsere Stadt zu Recht stolz sein“, sagt die Leiterin des städtischen Kulturamtes, Dr. Bettina Gentzcke.

 

„Zumal es nur wenige Literaturpreise gibt, die das Gesamtwerk eines Autors oder einer Autorin prämieren. Die meisten Preise zeichnen nur ein singuläres Werk aus. Beim Hölderlin-Preis liegt der Fokus auf dem gesamten Schaffensprozess. Schon deshalb ragt der Fridrich-Hölderlin- Preis unter anderen Preisen heraus“, so Gentzcke.

 

Eine weitere Besonderheit ist, dass seit 40 Jahren zusätzlich einen Förderpreis vergeben wird, um Autorinnen und Autoren, die noch am Beginn ihres Schaffens stehen, zu unterstützen. Manche wie zum Beispiel Arno Geiger wurden einige Jahre später sogar mit dem Friedrich – Hölderlin-Preis ausgezeichnet. Gentzcke: „Ich denke, dass unsere Stadt sich damit ganz besonders um die Förderung guter Literatur verdient gemacht hat, denn sehr häufig haben die Hölderlin-Förderpreisträger anschließend eine steile Karriere gemacht.“

 

Festakt und Interview

Anlässlich des Jubiläums hat sich das Kulturamt der Stadt Bad Homburg eine Besonderheit einfallen lassen. So findet am Sonntag, 04. Juni 2023, zusätzlich zum Festakt und der feierlichen Verleihung der Hölderlin-Preise von 17 bis 19 Uhr (Eintritt 10 Euro) bereits am Mittag von 14.30 bis 16 Uhr die Veranstaltung „Die Hölderlin-Preisträger 2023 im Gespräch“ statt (Schlosskirche, Eintritt frei). Hier kommt es zu einer Kooperation mit dem Kaiserin- Friedrich-Gymnasium, dessen Schülerinnen und Schüler die beiden Preisträger interviewen werden. Die Moderation liegt in den Händen der Jury-Vorsitzenden Sandra Kegel und Dr. Bettina Gentzcke. „Die Schülerinnen und Schüler haben sich bereits intensiv mit dem Dichter, unserem Literaturpreis und seinen Preisträgerinnen und Preisträgern befasst. Das ist in einer zunehmend digitalisierten Welt keine Selbstverständlichkeit. Mein Dank dafür gilt den Lehrkräften Nina Salus- Flohr und Michael Lembach“, so die Kulturamtsleiterin.

 

Die Schülerinnen und Schüler werden auch beim sich anschließenden Festakt eine wichtige Rolle spielen. So ist vorgesehen, dass die jungen Leute aus den Dankesreden der bisherigen 40 Preisträgerinnen und Preisträger Zitate vortragen werden. Außerdem wird der Festakt von Schülerinnen und Schüler des KFG musikalisch begleitet.

 

Karten für den Festakt sind ab 10. Mai 2023 an allen bekannten Vorverkaufskassen und online unter www.reservix.de erhältlich.