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Friedrich-Hölderlin-Preis 2022 für Monika Rinck und Yulia Marfutova

Die Schriftstellerin und Lyrikerin Monika Rinck erhält den Friedrich-Hölderlin-Preis 2022. Der Förderpreis geht an die Autorin Yulia Marfutova.

Monika Rinck

Monika Rinck

Einzigartig ist ihr sogenanntes Begriffsstudio, eine Online-Sammlung tausender merkwürdiger und ulkiger Ausdrücke wie etwa „Kataplomben“, „Proustekuchen“ oder „Pizza Schlafsack“. Laut der in Berlin lebenden Autorin sind es „Erinnerungen an Situationen, an Lektüreerlebnisse, an die Gespräche und Momente, denen sie entsprangen“.

Monika Rinck erhält den Preis für ihr schriftstellerisches Gesamtwerk. Sie wurde 1969 in Zweibrücken geboren. Die Eltern, beide Lehrer, waren ebenfalls künstlerisch ambitioniert, die Mutter malte viel, der Vater war ein leidenschaftlicher Zeichner. Nach dem Abitur studierte Monika Rinck Religionswissenschaft, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bochum, Berlin und Yale. Bereits während des Studiums entwickelte sie eine Vorliebe für interdisziplinäre und intermediale Grenzüberschreitungen. Sie verfasst Lyrik, Prosa und Essays. Zu ihren bekanntesten Werken gehören die Sammelbände „Honigprotokolle" und „Champagner für die Pferde“.

Die Begründung

Monika Rinck hat in mehr als zwei Jahrzehnten ein Werk geschaffen, das Lyrik, Prosa und Essayistik vereint. Ihre Kunst, Verbindungen über die Gattungen hinweg zu knüpfen, weist sie dabei als Meisterin des ebenso präzisen wie heiteren Denkens aus.  Analytisch, elegant und mit Sprachwitz erforschen ihre Gedichte die Welt und erschüttern dabei sämtliche Gewissheiten. Ihre Gedichte stellen infrage und bringen das Denken in Aufruhr. Dabei beeindruckt Monika Rincks Spracharbeit durch stilistische Brillanz, Vielfalt der Themen und Originalität. Ihre Gewährsmänner sind Lawrence Sterne, Jean Paul und auch Friedrich Hölderlin, wie sie in ihrer Frankfurter Poetikdozentur 2020/21 darlegte. Bereits seit 1997 begeistert Monika Rinck mit ihrem „Begriffsstudio“, das Sprachfunde, Theoriestücke und Gedankensplitter aus den entlegensten Gebieten versammelt. Als Übersetzerin und Professorin am Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst Wien erweist sie sich außerdem als große Förderin der Lyrikszene. Bücher wie "Ah, das Love-Ding" (2006) wandeln auf den Spuren von Roland Barthes, und auch der vielbeachtete Lyrikband „Honigprotokolle“ (2012) lauscht dem wiederkehrenden Thema Liebe alle nur erdenklichen Tonlagen ab. Ihr Lesebuch „Champagner für die Pferde“, das 2019 Gedichte, Essays und Kurzprosa aus mehr als zwanzig Jahren versammelt, zeigt Monika Rinck in einer vorläufigen Summe ihres Werks als Ausnahmeautorin, die ungeahnte Zugänge in die Gegenwart eröffnet.

Yulia Marfutova

Yulia Marfutova erhält den Preis für ihr Erstlingswerk „Der Himmel vor hundert Jahren“, erschienen im Rowohlt Verlag im April 2021. Geboren 1988 in Moskau, studierte sie Germanistik und Geschichte in Berlin und promovierte in Münster. Heute lebt sie in Boston, USA.

Ihr Debütroman spielt in einem russischen Dorf um das Jahr 1918. Die Revolution hat bereits stattgefunden, der Zar ist abgesetzt, der Bürgerkrieg in vollem Gange, aber die Bewohner haben von den historischen Ereignissen noch nichts erfahren. Die Menschen sind geprägt vom ländlichen Leben und Aberglauben. Eines Tages taucht ein geheimnisvoller Fremder in dem Dorf auf. Marfutova hat ihren Debütroman den Großeltern gewidmet. „,Der Himmel vor hundert Jahren‘ ist ein in seiner feinen Materialität rätselhaft starkes Romandebüt“, schreibt der Tagesspiegel.

Yulia Marfutova

Die Begründung

In ihrem beeindruckenden Debüt „Der Himmel vor hundert Jahren“ erzählt Yulia Marfutova von einem russischen Dorf um 1918. Das Zarenreich bricht auseinander; im Dorf selbst sind die großen politischen Veränderungen nur mittelbar zu spüren. Das alte mythische Denken bleibt intakt. Nicht das zufällig vom Fluss angetriebene Thermometer bringt die Veränderung, sondern ein Fremder, der barfuß und in Uniform plötzlich im Dorf erscheint. Er bringt neue Ideen. Mit den Ideen kommen die Ideologien. Schließlich bricht die Realität der politischen Veränderung ins Dorf ein; wenn sie verschwindet, werden die Ikonen wieder zurückgestellt. Marfutova wurde 1988 in Moskau geboren und studierte Germanistik und Geschichte in Deutschland. Nach ihrer Promotion ging sie nach Boston, wo sie am College of Liberal Arts der University of Massachusetts lehrt. Sie legt einen atmosphärisch dichten, sprachrhythmischen Roman vor, der ein realistisches Bild von Dorf und Natur zeichnet, ohne dabei mimetisch zu sein. Marfutova lässt die Figuren sprechen, auch als allgemeines Geraune auf dem Dorfplatz. Die Menschen erhalten Kontur, gleichzeitig schwingt die Geschichte ins Mythische. Das ist große Erzählkunst.

Festakt am 12. Juni

Der Friedrich-Hölderlin-Preis sowie der Förderpreis werden am Sonntag, 12. Juni 2022, um 11 Uhr in der Schlosskirche Bad Homburg verliehen. Die Auszeichnung wird seit 1983 jährlich von der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe gemeinsam mit der Stiftung Cläre Janssen als allgemeiner Literaturpreis zum Andenken an die hiesigen Aufenthalte des Dichters Friedrich Hölderlin vergeben. Bei der Preisverleihung werden Stücke aus dem in Lauffen am Neckar komponierten Hölderlin Rockmusical „Hölder“ gespielt. Tickets für den Festakt gibt von von 6. Mai an unter anderem bei der Tourist Info und im Internet unter www.reservix.de.

Musical "Hölder" am 2. Juli

Das Hölderlin-Musical wird vollständig am 2. Juli 2022, um 19.30 Uhr unter Begleitung eines Schülerchors des Humboldt Gymnasiums im Kurtheater Bad Homburg aufgeführt werden. Tickets für "Hölder" sind erhältlich unter www.adticket.de.